Autor
Christian Leibrandt
Veröffentlicht
Oktober 2024
Lesezeit
5 Minuten
Zusammenfassung:
Der Text betont, dass die mentale Gesundheit von Männern am Arbeitsplatz oft vernachlässigt wird, was zu schwerwiegenden gesundheitlichen und finanziellen Folgen führen kann. Arbeitgeber sollten ein unterstützendes, urteilsfreies Umfeld schaffen, in dem Männer ihre Gesundheit trotz beruflicher Belastungen schützen und fördern können. Dies verbessert nicht nur das Wohlbefinden der Männer, sondern auch die Mitarbeiterbindung, Produktivität und die Reduzierung von Fehlzeiten. Eine männerfreundliche Gesundheitsstrategie, die spezifische Bedürfnisse berücksichtigt, kann einen positiven Einfluss auf das Unternehmen und die Gesellschaft haben. Workshops und Safe-Spaces werden als hilfreiche Maßnahmen empfohlen.
Das psychische Wohlbefinden von Männern bei der Arbeit wird oft vernachlässigt, obwohl es eine entscheidende Rolle für ihre Gesundheit, Produktivität und Zufriedenheit spielt. In vielen Unternehmen führen kulturelle Normen und veraltete Strukturen dazu, dass Männer selten die notwendige Unterstützung für ihre psychische und physische Gesundheit in Anspruch nehmen. Die Folgen sind alarmierend: steigende Gesundheitsrisiken und höhere Kosten für die Arbeitgeber. Unternehmen stehen daher in der Verantwortung, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das es Männern ermöglicht, ihre Gesundheit trotz beruflicher Belastungen zu schützen und zu stärken.
Die Aufgabe des Arbeitgebers besteht also darin, ein unterstützendes und urteilsfreies Umfeld für Männer (aber natürlich auch für Frauen) zu schaffen, das es ihnen ermöglicht, sich trotz einer vollen und stressigen Woche um ihre Gesundheit zu kümmern.
Warum solltest du dich für Männer in deinem Unternehmen interessieren?
Die meisten Unternehmen und anderen Organisationen sind blind für die Bedürfnisse und Herausforderungen von Männern. Das hat leider zur Folge, dass Männer selbst für ihre schlechte psychische Gesundheit verantwortlich gemacht werden, dass Angebote geschlechtsneutral oder frauenorientiert sind oder dass ein Umfeld herrscht, in dem Männer nicht das Gefühl haben, Hilfe in Anspruch nehmen zu können.
Um diesen blinden Fleck zu beseitigen, lohnt es sich für Unternehmen, die psychische, aber auch die physische Gesundheit von Männern als wichtigen Teil ihrer Gesundheitsstrategie zu integrieren. Denn einige Statistiken zur Gesundheit von Männern sind alarmierend:
- Jeder sechste Mann in Deutschland stirbt vor dem 67. Lebensjahr
- Bei den Herzinfarkttoten in Deutschland zeigt sich, dass Männer mehr als doppelt so häufig an einem akuten Herzinfarkt sterben wie Frauen
- 73% der Suizide werden von Männern begangen
- Alkoholabhängigkeit und -missbrauch sind bei Männern häufiger
- Ein Viertel der Männer empfindet die Arbeitsbedingungen als stark oder sehr stark gesundheitsgefährdend
- Fast 70% der Arbeitsunfälle und 85% der Todesfälle am Arbeitsplatz entfallen auf Männer
Die genannten Probleme können sich eindeutig auf die Leistung von Männern auswirken. Arbeitgeber können dem entgegenwirken – aber warum sollten sie das tun?
"Der Arbeitsplatz ist der Ort, an dem am meisten für das nachhaltige Wohlbefinden von Männern getan werden kann."
Wer Männergesundheit fördert, stärkt Bindung und Produktivität
Männer verbringen einen großen Teil ihres Lebens bei der Arbeit, sie ist eines der zentralen Dinge in ihrem Leben. Sie ziehen daraus Sinn, Stolz, Identität und Wohlbefinden. Die Schaffung eines positiven Umfelds, in dem sie sich einfach wohl fühlen, stärkt ihr mentales Wohlbefinden – was sich wiederum positiv auf ihr Privatleben und letztlich auf die Gesellschaft auswirkt.
Kurzum: Der Arbeitsplatz ist der Ort, an dem am meisten für das nachhaltige Wohlbefinden von Männern getan werden kann.
Neben den positiven Auswirkungen auf die Männer und die Gesellschaft gibt es natürlich auch überzeugende Vorteile für das Unternehmen:
- Höhere Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit: Zufriedene und gesunde Männer bleiben eher – das wirkt dem Fachkräftemangel entgegen, die Fluktuation sinkt und die Personalbeschaffungskosten sinken.
- Weniger Fehlzeiten: Mitarbeiter, die mit psychischen Herausforderungen zu kämpfen haben, melden sich eher krank.
- Höhere Produktivität: Mitarbeiter mit einem hohen psychischen Wohlbefinden sind produktiver, motivierter und effektiver.
- Monetärer Nutzen: Je nach Analyse und Studie bringt die Investition von einem Euro in Maßnahmen zur Förderung des psychischen Wohlbefindens einen durchschnittlichen Ertrag von 2 bis 5 €. In einigen Branchen und KMUs können es sogar bis zu 15 € pro investiertem Euro sein.
Die Schaffung eines Umfelds, in dem die mentale Gesundheit von Männern ernst genommen wird, kann sich daher auch als finanzieller und produktiver Vorteil für Unternehmen erweisen.
Effektive Strategien zur Förderung der mentalen Gesundheit von Männern am Arbeitsplatz
Unternehmen, die sich zum Ziel setzen, die mentale Gesundheit von Männern in ihre Gesundheitsstrategie zu integrieren, können über folgende Punkte nachdenken:
Von Stigmatisierung zum strukturellen Denken
Die Stigmatisierung der mentalen Gesundheit nimmt leicht ab, aber sowohl für Frauen als auch für Männer ist sie nach wie vor ein schwieriges Thema am Arbeitsplatz. Männer stehen vor der besonderen Herausforderung, dass nicht nur sie selbst, sondern ihr gesamtes Umfeld von ihnen erwartet, dass sie stark sind. Ein offener Umgang mit mentaler Gesundheit kann daher als Schwäche angesehen werden. Viel schwerwiegender ist jedoch die Überzeugung, die natürlich nicht von allen geteilt wird, dass Männer selbst an ihrem Zustand schuld sind – mentale Gesundheit wird nicht als strukturelles Problem gesehen. Dies hat zur Folge, dass auch das System nicht in Frage gestellt wird und keine Anstrengungen unternommen werden, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.
Das erste Gebot lautet daher, den Männern nicht die Schuld dafür zu geben, dass ihr mentales Wohlbefinden leidet oder dass sie keine Hilfe in Anspruch nehmen. Man muss strukturell denken und sich fragen: Was hält Männer im Unternehmen davon ab, Hilfe zu suchen? Welches Umfeld brauchen Männer, um sich zu öffnen? Welche Angebote können den Bedürfnissen der Männer entsprechen?
Kurzum: Wie im Human-Centered-Design, wo der Mensch im Mittelpunkt steht und das Produkt sich dem Menschen anpassen muss, müssen sich auch die Strukturen und Angebote rund um die mentale Gesundheit dem Menschen anpassen.
Bewusstsein schaffen
Die Schaffung von Bewusstsein und Verständnis ist ein wichtiger Schritt, um ein optimales Umfeld für Männer zu schaffen. Die Sensibilisierung von Führungskräften und Personalverantwortlichen ist ebenso wichtig wie die der Männer selbst.
Auf der Führungs- und Personalebene bieten sich z.B. Workshops oder Webinare an, die über die Komplexität des mentalen Wohlbefindens und Verhaltens von Männern aufklären. Wichtig ist dabei, dass die Weiterbildung einen multidisziplinären Ansatz verfolgt. Das bedeutet, dass der Mann nicht nur aus soziologischer, sondern auch aus psychologischer und biologischer Perspektive betrachtet wird (bio-psycho-sozialer Ansatz).
Die Sensibilisierung endet nicht bei den Führungskräften, sondern ist auch für alle Männer in der Organisation notwendig. Die emotionale Intelligenz ist bei Männern nicht so stark ausgeprägt wie bei Frauen, daher ist es für Männer manchmal sehr schwierig, Symptome einer schlechten mentalen Gesundheit zu erkennen. Sie sollten daher darüber informiert werden, wie sich Symptome äußern, welche Angebote es gibt und wie sich mentale Stärke positiv auf sie und ihre Arbeit auswirken kann. Auch hier können Workshops, Webinare oder z.B. Wiki-Einträge zur Sensibilisierung der Männer beitragen.
Generell sollte an bestimmten Berührungspunkten, z. B. bei Besprechungen oder Veranstaltungen, allen Mitarbeitern die Bedeutung der psychischen Gesundheit und die Ressourcen zu diesem Thema vermittelt werden. Bei der Kommunikation mit Männern sollte besonders darauf geachtet werden, wie das Thema mentale Gesundheit kommuniziert wird, da bestimmte Begriffe oder Framings bei Männern auf Ablehnung stoßen.
Schaffung einer unterstützenden Kultur
Die Unternehmenskultur hat einen entscheidenden Einfluss auf die mentale Gesundheit von Männern. Eine Unternehmenskultur kann für alle problematisch sein, wenn sie die Mitarbeiter ermutigt, besonders lange und hart zu arbeiten und ihre Gefühle zu unterdrücken. Im speziellen Fall von Männern kann auch das vorherrschende Bild von Männlichkeit unterstützend oder destruktiv sein. Ein negatives Bild von Männlichkeit kann das psychische Wohlbefinden von Männern beeinträchtigen. Darüber hinaus kann ein negatives Bild („toxische Männlichkeit“) dazu führen, dass Männer sich in ihrer Identität angegriffen fühlen und sich entsprechend destruktiv am Arbeitsplatz verhalten – eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale.
Aber wenn wir den Spieß umdrehen und eine Unternehmenskultur haben, in der Work-Life-Balance und eine positive Einstellung zu Männern und Männlichkeit gelebt werden, dann trägt das zu einem guten Umfeld für Männer und Frauen bei.
Wie bereits erwähnt, nimmt die Stigmatisierung in Bezug auf mentale Gesundheit ab, ist aber immer noch kein Thema, über das jeder Mitarbeiter offen sprechen kann. Es ist daher auch Aufgabe des Arbeitgebers, das Thema zu entkrampfen und ein Umfeld zu schaffen, in dem es ohne Vorurteile angesprochen werden kann. Dazu braucht es mutige Menschen im Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Geschichte über den Umgang mit ihrer mentalen Gesundheit erzählen. Wenn z. B. männliche Führungskräfte ihre Geschichten teilen, sendet dies ein Signal an die Mitarbeiter, dass es in Ordnung ist, auch seine Tiefpunkte mit anderen zu teilen, und dass es Stärke zeigt, wenn man Hilfe sucht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine wichtige Grundlage für eine unterstützende Kultur eine männerfreundliche Haltung ist. Eine männerfreundliche Haltung nimmt Männer urteilsfrei und als Menschen mit ihren Problemen wahr und sieht sie und ihre Männlichkeit positiv. Eine positive Haltung gegenüber Männern fördert positives Verhalten und ermöglicht es ihnen, sich zu öffnen und im richtigen Rahmen geeignete Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Männer sollen nicht für ihre mentale Verfassung beschämt werden, sondern die Strukturen sollen hinterfragt werden, wenn Männer unter Stress, Angst oder Burnout leiden.
"... wo der Mensch im Mittelpunkt steht ... müssen sich auch die Strukturen und Angebote rund um die mentale Gesundheit dem Menschen anpassen."
Männergerechte Angebote und Formate
Wie bereits erwähnt, ist ein bio-psycho-sozialer Ansatz bei der Betrachtung von Männern notwendig, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen und entsprechende Angebote und Formate zu entwickeln und anzubieten. Männer zeichnen sich z.B. dadurch aus, dass sie es bevorzugen, Aktivitäten in der Gruppe durchzuführen und über die Aktivität ins Gespräch zu kommen. Diese und andere Aspekte ermöglichen es Unternehmen, maßgeschneiderte Unterstützungsangebote für Männer zu initiieren.
Darauf aufbauend können z.B. Netzwerke im Unternehmen initiiert werden, die als Safe-Spaces für Männer gelten. So können Gruppen (peer support groups) gegründet werden, in denen sich Männer untereinander über ihren Arbeitsalltag austauschen und sich gegenseitig unterstützen können. Auch hier ist es besonders wichtig, wie die Netzwerke und Gruppen betreut und beworben werden, um Männer nicht abzuschrecken und viele Mitglieder zu gewinnen.
Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder Informationen darüber zur Verfügung stellen. Kurse zu Resilienz, Stressmanagement oder ein Kerlkraft-Training können dazu beitragen, die psychische Belastung zu reduzieren und Männern Instrumente an die Hand zu geben, ihre Emotionen wahrzunehmen und zu regulieren.
Natürlich können auch Männer geschlechtsneutrale oder frauenorientierte Formate nutzen – nicht alle Männer agieren z.B. gerne in Gruppen. Damit diese aber auch genutzt werden, muss auf eine unterstützende Kultur und eine männerfreundliche Haltung geachtet werden. Ebenso können Formate, die für Männer konzipiert wurden, auch für Frauen interessant sein. Auch hier möchte ich dazu ermutigen, entsprechende Formate für Frauen anzubieten. Ziel ist eine inklusive Gesundheitsstrategie im Unternehmen, in der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützende Strukturen vorfinden.
Die anderen nicht vergessen!
Es ist wichtig, Männer „gesondert“ in der Gesundheitsstrategie zu verankern – aber genau das ist der Punkt: Es ist nur ein Teil der Strategie, aber es ist nicht die ganze Strategie. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass eine Gruppe innerhalb der Belegschaft bevorzugt wird. Deshalb ist es wichtig, auf eine ausgewogene Gesundheitsstrategie und -kommunikation zu achten. Männer haben andere Bedürfnisse als Frauen, ältere Menschen andere als jüngere. Versuchen Sie, alle in die Kommunikation einzubeziehen und Angebote für viele zu schaffen, um ein gesundes Umfeld für alle zu ermöglichen.