Autor
Christian Leibrandt
Veröffentlicht
September 2024
Lesezeit
4 Minuten
Zusammenfassung:
Der Artikel setzt sich kritisch mit der gesellschaftlichen Haltung gegenüber Männern auseinander und fordert eine Korrektur. Männer werden oft entweder als privilegierte Akteure oder als potenzielle Gefahr wahrgenommen, was zu einem Mangel an Empathie und Unterstützung führt. Sie werden oft als „entbehrlich“ angesehen – in gefährlichen Berufen oder bei emotionalen Herausforderungen.
Der Autor plädiert für eine neue Sichtweise, die Männer als Menschen mit eigenen Bedürfnissen und Schwächen anerkennt. Unterstützungssysteme sollten an die Bedürfnisse von Männern angepasst werden, und die positiven Aspekte von Männlichkeit sollten wieder anerkannt werden. Eine männerfreundliche Haltung ist entscheidend, um sowohl das Wohlbefinden der Männer als auch das gesellschaftliche Gleichgewicht zu fördern.
Wir denken oft, dass Männer die großen Gewinner in unserer Gesellschaft sind – sie kontrollieren alles und ihnen stehen alle Türen offen. Aber stimmt das wirklich? Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Bild zu hinterfragen. Unsere Haltung gegenüber Männern ist von Stereotypen geprägt: Entweder sehen wir sie als privilegierte Akteure oder als potenzielle Gefahrenquelle. Diese Sichtweise ist nicht nur vereinfachend, sondern schadet letztlich auch den Männern selbst.
In unserer Gesellschaft hat sich ein gewisses Misstrauen gegenüber Männern festgesetzt, die oft als mächtig oder problematisch angesehen werden. Aber was wäre, wenn wir Männer nicht mehr über diese extremen Bilder definieren, sondern sie als Menschen sehen würden? Menschen, die genauso wie Frauen vor Herausforderungen stehen, Ängste haben und Unterstützung verdienen. Ein solches Umdenken könnte die Art und Weise verändern, wie wir Männer wahrnehmen und ihnen begegnen.
Die Folgen einer negativen Haltung gegenüber Männern
Die Auswirkungen dieser negativen Haltung sind für Männer sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene spürbar. Auf der persönlichen Ebene fehlt es oft an Einfühlungsvermögen und Verständnis für ihre Herausforderungen. Da Männer als „Herrscher der Welt“ angesehen werden, wird oft angenommen, dass sie allein für ihre Krisen und Probleme verantwortlich sind – und daher keine Unterstützung verdienen. Männern wird zwar gesagt, dass es „okay“ ist zu weinen und dass „richtige Männer“ das auch tun, aber wenn es wirklich so selbstverständlich wäre, müsste es nicht immer wieder betont werden. Viele Männer berichten, dass es nicht unbedingt andere Männer sind, die sie für das Zeigen von Schwäche verurteilen – vielmehr erleben sie, dass ihre Partnerinnen sie plötzlich anders wahrnehmen und nicht mehr als „vollwertige“ Männer betrachten.
Auf gesellschaftlicher Ebene tun wir uns schwer damit, Männer als Opfer wahrzunehmen. Der Diskurs konzentriert sich häufig darauf, Männer in die Täterrolle zu drängen, während Frauen die Opferrolle zugeschrieben wird. Das führt dazu, dass Strukturen und Institutionen kaum darauf ausgerichtet sind, auch die Bedürfnisse von Männern zu erkennen. Und wenn es Angebote für Männer gibt, diese aber nicht genutzt werden, wird ihnen die Schuld gegeben – anstatt das System in Frage zu stellen. Oft wird bei Männern die individuelle Verantwortung betont, während bei Frauen strukturelle Versäumnisse im Vordergrund stehen.
Männer als Menschen sehen
Was wäre, wenn wir aufhören würden, Männer als Herrscher oder Teufel zu sehen, sondern einfach als Menschen? Menschen, die genau wie Frauen ums Überleben kämpfen, von vielen Kräften beeinflusst werden und versuchen, ein normales Leben zu führen. Was wäre, wenn wir akzeptieren würden, dass auch Männer in Strukturen und Systemen leben, die nicht nur von ihnen geschaffen wurden, sondern in einem gemeinsamen Überlebenskampf mit Frauen entstanden sind? Sobald wir anfangen, Männer als Menschen zu sehen, verschiebt sich unsere Perspektive – und wir nehmen sie in einem neuen Licht wahr. Das ist der Kern einer männerfreundlichen Haltung: Männer als Menschen zu sehen.
Die gesellschaftliche Herausforderung
Männer als Menschen zu sehen, klingt einfach, ist aber eine Herausforderung. Wie in der Systemtheorie, wo jedes negative Verhalten auch eine nützliche Seite hat, hat auch eine negative Haltung gegenüber Männern positive Auswirkungen auf die Gesellschaft. Kurz gesagt: Eine männerfeindliche Haltung ermöglicht es, Männer als entbehrlich zu betrachten. Der englische Begriff „disposable“ bringt diesen Aspekt des „Wegwerfens“ noch deutlicher zum Ausdruck.
Es mag überraschen, aber nicht alle Männer sind gut bezahlte Manager in glitzernden Büros. Tatsächlich arbeiten viele Männer oft im Verborgenen, um unsere Infrastruktur am Laufen zu halten. Sie sorgen dafür, dass wir sauberes Wasser haben, die Straßen befahrbar bleiben, die Lebensmittel im Supermarkt stehen und gefährliche Arbeiten erledigt werden – oft unter lebensgefährlichen Bedingungen. Im Krieg sind es vor allem Männer, die zu den Waffen greifen, ihre Angehörigen beschützen und dabei ihr Leben riskieren. Das meine ich, wenn ich sage, Männer gelten als entbehrlich – sie sind „wegwerfbar“ und wir sind bereit, wenn nötig, sie zu opfern.
Die Tatsache, dass wir Männer als entbehrlich betrachten und ihnen wenig Empathie entgegenbringen, ermöglicht es uns als Gesellschaft, Zivilisationen aufzubauen, zu erhalten und zu verteidigen. Wenn wir ihnen jedoch mehr Aufmerksamkeit, Liebe und Mitgefühl schenken, zwingt uns das, unsere Kultur in Frage zu stellen: Sind Männer wirklich „wegwerfbar“? Oder haben auch sie ein Recht auf Schutz, Liebe und ein Leben in Sicherheit?
Die Notwendigkeit einer männerfreundlichen Haltung
Wir sollten anfangen, Männer als Menschen zu sehen und ihnen die Strukturen und die Unterstützung bieten, die sie brauchen, um sich frei entfalten zu können. Es ist wichtig, dass sie sich von der Gesellschaft akzeptiert fühlen, ohne verurteilt zu werden. Wir sind nach wie vor auf Männer angewiesen, damit unsere Gesellschaft funktioniert – aber damit es auch den Männern gut geht, müssen wir eine Haltung entwickeln, die ihnen positiv gegenübersteht. Männer, die sich für uns aufopfern, verdienen Respekt und Einfühlungsvermögen, damit sie sich geschätzt und geliebt fühlen.
Unterstützungssysteme für Männer sollten sich an ihren Bedürfnissen und Qualitäten orientieren – und nicht daran, wie wir als Gesellschaft sie gerne hätten. Wir müssen wieder anfangen, die Stärken von Männlichkeit zu feiern, anstatt alles, was uns problematisch erscheint, mit dem Etikett „toxisch“ zu versehen. Männer sind keine Projektionsfläche für gesellschaftliche Missstände, sondern Menschen mit eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnissen.
Männer im Arbeitsleben und als Väter
In der Arbeitswelt müssen wir Männer dabei unterstützen, ihre Rolle als Väter zu leben – nicht nur, weil es Frauen entlastet, sondern auch, weil Kinder ein starkes Vaterbild brauchen. Männer können an ihrer Vaterrolle wachsen und sich weiterentwickeln. Wir dürfen jungen Männern nicht das Gefühl geben, dass sie nicht erwünscht sind, oder ihre Erfolge als „geschenkt“ abtun. Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen – wir brauchen motivierte Menschen, die ihr Bestes geben, unabhängig vom Geschlecht. Es macht wenig Sinn, Männer in Organisationen durch mangelnde Wertschätzung mit ihren Problemen allein zu lassen und sie dadurch zu schwächen.
Fazit: Eine neue Haltung gegenüber Männern
Um Männern Raum zu geben, sich frei zu entfalten und ihre Emotionen zu zeigen, brauchen wir eine männerfreundliche Haltung. Wenn Männer sich respektiert und sicher fühlen, geben sie 110% – und weinen, wenn ihnen danach ist, ohne dass wir sie daran erinnern müssen, dass das „okay“ ist.